Zurück im Kreislauf der Kunst

by Annette Hoffmann
Basler Zeitung
8 February 2013
Deutsch

Der Basler Bildhauer Markus Müller zeigt bei Nicolas Krupp irritierende Werke

Basel. Kühn, diese Bildhauer: Eine entschieden gesetzte Geste, und die Form verändert sich schlagartig, ein kraftvoller Durchbruch, und was eben noch reine Harmonie war, bekommt Spannung. Doch irgendetwas irritiert an den Arbeiten von Markus Müller. Ist es die Oberfläche der Objekte, die einfach zu schön ist? Ihre Glätte, die diese Skulpturen in die Nähe des Designs rücken lässt?

Wer vor den in diesem Jahr entstandenen Werken des Basler Bildhauers in der Galerie Nicolas Krupp steht, ist geneigt, Augentäuscherei nicht länger für eine reine Angelegenheit der Malerei zu halten. Oberflächen, die von ihren Materialeigenschaften glatt sein müssten, zeigen die grobe Faserung von Spanholzplatten, die feine Maserung des Holzes hingegen riecht leicht nach Ölfarbe. Der Begriff Sinnestäuscherei träfe es hier wohl sogar genauer.

Hochwertiges Finish
Markus Müller ist kein Bildhauer der brachialen Art, sein Ansatz ist konstruierender Natur. Der vermeintlich authentischen Geste setzt er umfassende Überlegungen entgegen und voraus.

Und vielleicht ist sein eigentliches Material noch nicht einmal Sperrholz, Spanplatten und Stahl, dem er ein hochwertiges Finish verleiht, sondern die Form selbst. Eine Form wie die des «Reliefs», die einem grob behandelten grauen Stein ähnelt und mit Kreisen verziert ist, die mitunter von Linien durchstossen werden.

Ähnliches hat man schon mal auf keltischen Monumenten gesehen, oder man glaubt zumindest, dort so etwas gesehen zu haben. Oder auf einer Türklinke aus den 1950er-Jahren, sagt Markus Müller und grinst.

Spiel mit Bedeutungen
Die Formen, an die uns Müllers Werke erinnern, sind keine aus dem elitären Umfeld der Kunst. Es sind Alltagsgegenstände wie Konsolen, Kommoden, Tafeln und Gartenmöblierungen. Keine Industrieware, bei vielen dieser Objekte setzt man einiges an handwerklichem Geschick voraus.

Markus Müller macht aus ihnen autonome Werke, nicht allein, indem er sie aus Billigmaterial baut und sie durch eine Malerei aufwertet, die das Aussehen wertvoller Hölzer kopiert. Sie werden auch eigenständig durch ein Verändern des Massstabes.

Seine «Konsole» ist Selbstzweck, die beiden Stützen nehmen bereits so viel Platz ein, dass man hier keine Bücher mehr einstellen könnte. Und die zylindrische «Fassung» aus schwarz bemaltem Stahl wirkt überdimensioniert noch für den grössten Garten.

Als Fake möchte der 1970 geborene Markus Müller seine Arbeiten nicht wahrgenommen wissen. Tatsächlich ist die Material-Mimikry nur ein Aspekt des Werkes. Der andere ist, dass Markus Müller mit Bedeutungen spielt.

Wenn er eine grosse viereckige Form mit eingeschriebener Öffnung baut und in diese einen Schnitt integriert, der die beiden oberen ungleichen Abschlüsse teilt, weiss er, dass der Betrachter an spätmodernistische Bildhauerei denkt und an die damit verbundene pathetische Geste.

Wenn er eine schwarz gefärbte Holzplatte mit verschiedenformatigen Holzelementen umgibt, liegt die Assoziation an eine Schreibtafel nahe, die doch durch diesen intarsienartigen Rahmen verfremdet wird.

Alte Bekannte
«Es sind keine konkreten Zitate», sagt Markus Müller, «mir ist wichtig, dass man die Dinge nicht benennen kann.» Markus Müller führt diese mit Bedeutung aufgeladenen Formen in den Kreislauf der Kunst zurück, und dort begegnen sie einem wie gute alte Bekannte.

Was uns einmal mit diesen Bekannten verband, lässt sich nicht mehr fassen. Leichtbauweise bedeutet nicht Leichtgewichte. Markus Müllers Skulpturen sind so immer auch Gedankenexperimente.

Cover Image: Markus Müller, Installation view: Nicoals Krupp, Basel, 2013. Foto Serge Hasenböhler