ORGANISCHES STAUNEN

Kunstforum
Mar-Apr 2019
Deutsch

Der Malstil von Stephan Melzl (* 1959 in Basel, er lebt in Frankfurt am Main) erinnert an altmeisterliche Techniken. Dazu erfordert er viel Zeit, so dass der Künstler pro Jahr höchstens zwölf Werke fertigstellt. Seine rätselhaften Menschenbilder überraschen durch Virtuosität und Feinheit. Er sucht einen surrealen Blick auf unsere bilderüberströmte Welt und findet zu anarchischen Korrekturen einer vermeintlich heilen Welt.

Die Arbeitsweise von Melzl lässt sich in gewisser Weise mit dem Gestaltungsgestus barocker Großmeister wie Caravaggio, Reni oder Poussin und ihren Darstellungen mythologischer Unsinnigkeiten vergleichen. Auch im Bild „Micky“ zeigt sich eine Konfrontation von Unvereinbarem, das in handwerklicher Brillanz karikierend ausformuliert wird: eine Frauengestalt blickt durch ein Fenster in Micky-Maus-Form auf das Traumhafte einer idyllischen Naturlandschaft. Melzl ist ein Meister im wohldosierten Inszenieren kunstvoller Brüche. In seiner „Micky“-Bildwelt lässt er Realitätsebenen, die in Kontrast zueinander treten, eben nicht auf einanderprallen, sondern paradoxerweise malerisch sanft und nahezu organisch ineinandergleiten. Als könne sich Melzl diesem Zitat nicht entziehen, wiederholt er das Motiv des Mickey-Mouse-Kopfes als Muster auf der weißen Badehose der Frau. In dieser Bild-in-Bild-Situation erscheint der Aus blick in die Natur als die Vergrößerung eines Textilaufdrucks. Melzl besticht als Maler von anregenden Metaphern voller grotesker Sinnlichkeit und Intensität.

Melzls Werke sind voller kunsthistorischer Anspielungen und Zitate, vornehmlich aus der Malerei-Epoche der Renaissance und des Barock. In seinen Gemälden werden die Kunstgattungen lustvoll gemixt: Votivtafel und Filmstill, Idyll und Pin-Up, Groteske und Pop-Geste.

Cover Image: Stephan Melzl, Mickey, 2016, Öl auf Holz, Foto: Stefan Altenburger, Courtesy: Kunstsammlung der schweizerischen Mobiliar Genossenschaft